Seit einigen Jahren wird deutlich, dass die Kollegen bei den skandinavischen Fernsehanstalten in der Produktion von aufregenden und neuartigen Fernsehserien in Europa die Nase vorne haben und selbst einer Qualitätsgarantin wie der BBC den Rang ablaufen. So wundert es nicht, dass beispielsweise die letzten beiden Staffeln von "Forbrydelsen" (in der deutschen Synchronfassung "Kommissarin Lund" genannt) bei der BBC entgegen allen Gewohnheiten auf dänisch mit englischen Untertiteln zu sehen war.
Besonders fasziniert mich an den Produktionen vor allem aus Dänemark und Schweden, dass sie eben nicht mit den angeblich konkurrenzlosen Budgets der großen US-PayTV-Shows hergestellt werden, sondern sich eher auf dem finanziellen Niveau eines Mittelklasse-Tatorts bewegen. Auch ihre lokale Verortung in dänischen Reihenhäusern oder schwedischen Polizeiwachen wird keineswegs "internationalisiert", sondern eher stark gemacht und verleiht den Shows einen ganz eigenen, nie gesehenen Charme.
In diesem Zusammenhang möchte ich besonders auf die hierzulande wenig beachtete Serie "'Äkta Manniskör" ("Echte Menschen" oder "Real Humans") aus der Feder von Lars Lundström verweisen, die als kleines Juwel des SciFi-Genres für besonders attraktive Reibungen in unseren Sehgewohnheiten sorgt.
"Echte Menschen" spielt in einem gegenwärtigen Schweden, dass bedingt durch massive Fortschritte in der Robotik einen Gesellschaftswechsel durchläuft. Vor etwa fünfzehn Jahren wurde weltweit die erste Reihe von "Hubots" genannten, menschenähnlichen Robotern eingeführt, deren stark verbesserte Nachfahren nun in jedem Bereich von Produktion, Dienstleistung und Rekreation eingesetzt werden.
Die schwedische Mittelklasse, in der Serie beispielhaft durch die Familie von Anwältin Inger Engman (Pia Halvorsen) und ihrem Mann Hans (Johann Paulsen) dargestellt, besorgt dem zunehmend kränkelnden Großvater selbstverständlich einen Altenpflege-Hubot, während sich Sohn Tobias (Kare Hedebrant) unglücklich in die neue kybernetische Haushaltshilfe Anita (Lisette Pagler) verliebt.
Während die Anwältin Inger eine juristische Kampagne zur Gleichberechtigung der Hubots plant, mag sich die proletarische Unterschicht hingegen nicht mit ihrer faktischen Abschaffung abfinden. Nicht nur Lagerarbeiter Roger Larsson (Leif Andrée) greift zu militanten Mitteln, um den "echten Menschen" wieder zur Geltung zu verhelfen, sondern es formt sich ein (etwas faschistoid geratener) Untergrund, der in den Hubots eine Bedrohung ungeahnten Ausmasses vermutet.
Und natürlich wäre das Genre verfehlt, wenn es nicht tatsächlich eine Gruppe von renegaten Cyborgs gäbe, die bereits Bewußtsein entwickelt hätten und an ihrer persönlichen Befreiung arbeiteten. Unter der Leitung des enigmatischen Leo (Andreas Wilson) ziehen die abgerissenen Ex-Bordell- und Baustellenroboter auf der Suche nach Strom und Akzeptanz durchs schwedische Unterholz und streiten sich über den Wert menschlichen Lebens.
Die Serie, deren Optik und vor allem Make-Up ebenfalls Beachtung verdienen, besticht weniger durch unerhörte Innvotationen, schließlich hat Ridley Scott schon 1982 in "Blade Runner" den zynischen Roy und seine Bande von liebeshungrigen Replikanten auf Tour geschickt, sondern durch die Kombination von klassischen SciFi-Elementen mit schwedischer Alltäglichkeit. Um nur ein Highlight von vielen zu nennen: Bereits zu Beginn der ersten Staffel kommen Leos Outlaws in einer kleinen Dorfkirche auf dem Land unter, deren Hausherrin eine gutmütige, lesbische Pastorin ist. Alleine ihre theologischen Auseinandersetzungen mit einem blondperücktem Liebes-Cyborg aus japanischer Produktion sind eine Anschau wert.
Bereits 2.Staffeln von "Äkta Manniskör" wurden im schwedischen Staatsfernsehen SVT gesendet und eine dritte Staffel ist für das kommende Jahr bestellt. ARTE hat eine deutsche Synchronfassung der beiden Staffeln beauftragt und bereits gesendet und sowohl das schwedische Original, als auch die deutsche Version liegt auf DVD und BluRay vor.
Ein sehr lesenswertes Interview mit Lars Lundström, dem Autor und Producer der Serie gibt es hier bei ARTE zu lesen.
Einen kurzen Trailer gibt es hier: